Hätte doch mal keiner gedacht, dass gerade Elena den großen Hochzeitsjoker zieht, oder?! Ich wollte es ja fast selber nicht glauben, als Kathrin mich eingeladen hat mit in Clärchens Ballsaal zu kommen um ein Brautpaar zu feiern...
Ich bin jetzt generell kein Freund von Hochzeitsfeiern. Nichts gegen Zeremonien und ihre -meister, auch nichts grundsätzlich gegen die Ehe, nur habe ich eben noch keine Hochzeit erlebt, bei der ich wirklich dachte "ach soooo, deswegen heiraten die". Ob gestern in diese Schublade passt, weiß ich nicht genau, aber es war mir auch egal. Es war nämlich so vollkommen entspannt und alle Gäste waren so entspannt, dass ich es mir besser gar nicht hätte vorstellen können.
Bei Hochzeiten, runden Geburtstagen, Jahrestagen, Firmenjubiläen und ähnlichen Kinkerlitzchen wird ja gerne mal der nahe gelegene Landgasthof oder sonst alternativ die Designetage vom Szenehotel bemüht. Das soll dann den Hauch des Besonderen bieten, aber meistens ist es mehr peinlich und aufgesetzt als alles andere. Man hat das Gefühl, dass von der Türklinke der Toilette bis zum Bodenbelag eigentlich gar nichts zu einem selbst passt. Solche Paare scheinen mir meist auch nicht wirklich glücklich mit der Situation, denn man merkt ihnen an, dass sie das ganze Bromborium nur für andere veranstalten und nicht für sich selbst. Sie stehen Spalier und lassen sich Hände schütteln, solange eben die Frisur sitzt. Stehen die Tischkarten schon alle richtig? Viola hatte doch vegetarisch bestellt? Nein, die Bühne für die Hochzeitsspiele ist nicht hinten links, was hat denn der DJ da eigentlich an? Warum ist denn der Weg zur Toilette nicht ausgeschildert?..." Man kommt sich manchmal vor wie in einer dunklen Zukunftsvision von Heimleben. Alles für Doofe und um mich rum nur genervte Menschen.
Solche Hochzeiten mag ich eben nicht so gerne. Sie hinterlassen immer ein wenig das Gefühl, Herr und Frau haben eigentlich keine Ahnung, was sie hier machen, aber im Katalog sah es so hübsch aus. Gut, hinzu kommt oft, dass Herr und Frau eben tatsächlich keine Ahnung haben, was sie da machen, weil sie noch gar nicht über den Tellerrand ihres Lebens geschaut haben.
Warum ich dann gestern plötzlich so mochte? Sicherlich saßen auch die Tischkarten eins-A, das war es nicht. Aber der Boden war dreckig und aus abgetanztem Holz, es war viel zu schummerig, da auf den alten Kronleuchtern echte, dicke Stumpenkerzen brannten, die Farbe blätterte von den Wänden, die riesigen Spiegel zeigten Risse, die Treppe knarzte und an einem Tisch für acht Leute saßen zehn. Die Zuckerpuppe hatte tatsächlich ein weißes Kleid an, dazu blonde Hippielocken, eine weiße Hulablume im Haar und einen ordentlichen Schwipps als sie uns aus dem noch von der Sonne aufgehitzten Mitte entgegen geschlendert kam. Es wurde geherzt und geküsst, alles mit viel Zeit, keiner machte "oh gott, Du siehst ja sooooo toll aus" oder "Na, wie isses denn jetzt so, verheiratet zu sein?!" Es hätte nicht gepasst. Genau wie der Brautstrauß, der anscheinend auch keine lange Lebensdauer gehabt hatte ("Alter, der war so hässlich, da haben wir draußen im Garten einen neuen gepflückt").
Aber das war es alleine nicht, denn entspannt in Berlin feiern, sagt man ja, kommt schon öfter mal vor. Jedoch häufig auch mit dem aufgesetzten "Locker-sein-MÜSSEN", was ich ja noch grässlicher finde, als völlig versteifte Pinguinveranstaltungen. Wenn Gruppen von Menschen sich für den Mittelpunkt der Welt halten, weil alles schäbig und zauselig aussieht, das ist etwas, was ich meiner Generation für Jahre und Jahre nicht verzeihen werde!
War aber ja hier auch nicht der Fall. Im Gegenteil, der Trauzeuge Julian, der die Kunst der wenigen, aber dafür umso charmanteren Worte durchaus zu schätzen wusste, hatte sich für seinen großen Auftritt einen gut sitzenden Anzug geborgt und beste Freundin der Braut, Laura, zog sowohl mit ihrem Kleid, als auch mit ihrer Rede minutenlang alle in ihren Bann. Während Brautpaar und Gäste schenkelklopfend den frühen Anekdoten der Neuvermählten lauschten, fielen mir die Worte ein, für die tatsächlich zwischen Vorspeise und Hauptgang mit Elena auf dem roten Plüschsofa in der Ecke Zeit gewesen waren: "Mut, Du musst einfach Mut haben. Du musst Dich erfinden und allen Menschen sagen, dass Du jetzt DAS bist, und die glauben das! Du kannst Affe werden oder Tangotänzerin, wenn Du willst. Du musst es nur machen. Es ist so einfach und so toll. Ich möchte das immer machen. Ich möchte selbst sagen können, mit wem ich arbeite und lebe und spiele. Und ich arbeite nur noch mit Menschen, die ich mag. Mit Freunden. Dann hab ich immer nur Freunde um mich herum."
Lauras aufgeregt genuschelte Rede enthielt viele Lacher, viel Bildliches, viel Autobiographisches und überraschend viel über Backwaren. Aber zwischendrin kamen die Momente, in denen man dachte, jetzt wird gleich die Filmmusik aus Der mit dem Wolf tanzt oder ähnlich Bewegendes eingespielt, weil sie so schöne, bedeutende Worte enthielten. Sie sprach von den hässlichen Zwillingen der Liebe, die sie alle kennengelernt hat. Der Angst vor dem Alleinsein, dem Zugehörenwollen, dem Soweitsein, der Sicherheit, dem "wissen-was-kommt". Wir kennen sie alle, diese Geschwister. Und sie sind es, die mir hin und wieder auf Landgasthofhochzeiten oder in schicken Hoteletagen begegnet sind.
Warum fand ich es so schön dort gestern?
Weil ich glaube, dass Elena über den Tellerrand geschaut hat. Die weiß, was sie macht. Sie hat sich erfunden und ist das einfach geworden. Metamorphose. Und wenn sie David heiratet, dann weiß sie da auch ganz genau was sie macht. Sie verwechselt keine Zwillinge. Sie hat sich ihre Welt angeschaut und das Schönste rausgesucht. Research, Evaluation. Und was das Allerbeste am Abend war, dass sie recht hatte. Sie war nur umgeben von Freunden, von fabelhaften, verrückten, liebevollen, unanstrengenden Freunden. Und das hat man gemerkt.
Prost, Herzchen
Ella
Sonntag, 16. August 2009
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