Zur Freude meines Kontostandes werde ich also nicht allzu viel Zeit dort verbringen.
Wo ich hingegen sehr viel Zeit verbringen werde, ist die Uni. Letzten Dienstag ging der Zirkus nun also richtig los. Vorher waren 61 aufgeregte International-Marketing-Studenten auf Klassenfahrt (hier "Residential") gefahren. Ein Konferenzzentrum mit für Studenten unüblichen Luxuseinzelzimmern in der Nähe von Cambridge war Ort des Schauspiels und neben lustigen Kennlernspielchen wurde uns von grimmig dreinschauenden Marketingexpertinnen eingetrichtert, dass es nun aus ist mit dem leichten Leben. Ja, richtig gehört: Auf uns wartet ein im Grunde nicht schaffbarer Berg von Arbeit und da wir ja nun alle erwachsen sind und von uns eine gewisse Eigenleistung erwartet werden kann, sollten wir am besten gestern mit der Leistungserbringung beginnen. Auf diese Rede hin gönnten wir uns in bester kulturübergreifender Manier ein gemütlich geselliges Gläschen Rotwein auf der Terasse. Kommunikativ sind wir allemal!
So habe ich innerhalb von 3 Tagen über 60 neue Gesichter, Namen, Geschichten und Akzente kennengelernt. 50 Prozent des Kurses besteht aus Franzosen, die zauberhafte Namen wie Aurélie, Virginie, Romain, Benoit und Julie haben. Der französischen Übermacht ("Die Anderen") setzt sich ein Pool internationaler Studenten entgegen. "Wir" bestehen aus über 25 Nationen unter anderem Indonesien, Brasilien, Taiwan, USA, Finnland, Mexiko, Deutschland, Kanada...
Innerhalb von kürzester Zeit wurden die Grenzen eingerissen und aus "Denen" und "Wir" wurde ein wunderbares Kollektiv.
Als dann Dienstag darauf die Vorlesungen begannen, waren wir uns zumindest untereinander nicht mehr fremd. Bis zu dem Zeitpunkt der ersten Vorlesung schien alles minutiös durchorganisert zu sein. Welche ID-Card wird für was gebraucht, wo bekomme ich welches Schreiben, wie finde ich Raum TMG-45, wer ist für meinen Französichkurs zuständig... Alles schien wie am Schnürchen zu laufen.
Oh, welch Trugschluss. Seit Dienstag fühle ich mich wie ein echter Student. Nicht ausschließlich weil ich meine Zeit in Vorlesungssälen, Seminarräumen und einer muffig riechenden Bibliothek verbringe, nein, hauptsächlich weil alles ein einziges Chaos ist. Kopflos laufen Studenten von A nach B um dann zu erfahren, dass A soeben in Q verwandelt wurde und somit alles Vorhergegangene plötzlich nichtig ist. Ich habe bis heute noch keinen Stundenplan und trage mich brav regelmäßig handschriftlich auf den Anwesenheitslisten nach. Der Lieblingssatz der Dozenten "schaut das doch bitte in eurem Online-Stundenplan nach" ist inzwischen zum Running-gag geworden, da keiner von uns im Online-Account einen vollständigen Vorlesungsplan hat. Oh, und Nachfragen ist so ne Sache. "Wird erledigt" und "da können wir auch grad nichts machen" sind die Top-Antworten. Aber es macht Spaß. Das Ganze ist wie ein großer Zirkus und ich bin eine von den tanzenden Mäusen im Tütü! Allez-hopp!

GC1-08 und meine 59 Kommilitonen
Ansonsten ist das Studentenleben genau das, was ich wollte. Ich darf endlich etwas lernen was mich interessiert und die Vorlesungen sind gut gehalten und abgesehen von tatsächlich nicht schaffbaren Leselisten ist alles noch irgendwie unterzubringen. (Fragt mich mal in 2 Wochen)

Noch bleibt sogar Zeit für das eine oder andere gebraute Getränk am Abend oder einen Sonnenausflug am Sonntag. So zum Beispiel am vergangenen Wochenende:
Nach drei Tagen Regen (ja, der eklige Nieselige, der so von der Seite kommt und bis unter die Haut kriecht) schien mir im Hydepark fröhlich die Sonne auf die Mütze:

Eingang zu Green Park

;-)
Ruderer auf der Serpentine im Hyde Park
Im Rosengarten
Und weil ich morgen ganz früh in meiner Marketing-Research Vorlesung sitzen muss, lasse ich es für heute dabei.
Vielleicht komme ich dazu beim nächsten Mal zu erzählen, wer mich schon alles besucht hat...
Bonne nuit
Eine Ella in London